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Peter A. Rinck
Medizinische Klimatologie
dargestellt am Beispiel der klimatischen Kurorte im Oberitalienischen Seengebiet

PAR_cafe

ie Klimatologie ist in aller Munde, ebenso wie der Klimawandel. Der Begriff »Kli­ma­to­lo­gie« wurde vor knapp zweihundert Jah­ren von Alexander von Hum­boldt ge­prägt, und Kli­ma­wan­del oder -wech­sel wurden kurz darauf po­pu­lär — allerdings, in der me­di­zi­ni­schen Kli­ma­to­lo­gie, in einer ganz an­de­ren Be­deu­tung als heu­te.

Physiker sollten — so wollte es Alex­ander von Humboldt — die Grundlagen und Hintergründe der Klimato­logie exakt erforschen, verfolgen und darstellen. Die heutige Po­pu­lär­wis­sen­schaft Klima­tologie (Klimalehre oder Klimakunde) ist keine exakte Wissenschaft wie die Physik. Inzwischen hat sich das Fach zu einer Mischung aus ei­nem weiten Spektrum von meist theo­re­ti­schen Forschungs- und Inter­pretationssparten entwi­ckelt und ist mehr ideologisch und kommer­ziell als wissenschaftlich ausgerichtet. Die heutigen klimatologischen For­scher beschäftigen sich oftmals mit der Erstellung von Compu­termodellen, die auf gemes­senen oder extrapolierten Daten basie­ren. Wegen der großen Viel­falt der Variablen, die zum Klima und zu Änderungen des Klimas beitragen, bleiben die erstell­ten Ergeb­nisse allerdings mehr oder minder Vermutungen.

Die Klimakunde entspricht nicht der Idee der Wis­senschaftlichen Methode, mit der Francis Bacon und René Descar­tes exakte Wis­senschaft de­finierten, nämlich als eine Methode oder ein Verfahren, welches in systematischer Beob­achtung, Messung und Experiment sowie in der Formulierung, Prüfung und Änderung von Hypothe­sen besteht. Schon Thales hatte verlangt, dass Wissen­schaft be­weisbar, nach­prüfbar und in ihren Ergebnissen reproduzierbar und darüber hinaus zweckfrei und damit vorurteilslos sei.

Die medizinische Klimatologie, wie sie in diesem geschichtlichen Essay beschrie­ben wird, verhält sich in der praktischen Auswer­tung und Anwendung der Erkenntnisse ähnlich — sie kann höchs­tens als angewandte Wissenschaft bezeichnet werden. Eines der Haupt­ziele der medizinischen Klimatologie ist es, eine Region mit einem gesunden und angenehmen Klima für einen dauerhaften oder vor­übergehenden Aufenthalt zu finden — in erster Linie zur Behand­lung eines medizinischen Problems.

Alexander von Humboldt definierte 1845 in seinem Werk Kos­mos das Klima als eine auf den Men­schen be­zo­ge­ne For­mu­lie­rung:

»Die Einsicht in die Wärmevertheilung im Luft­krei­se hat einigermaßen an Klar­heit ge­­won­­nen, seit­dem man versucht hat die Punkte, in wel­chen die mittleren Tem­­pe­­ra­­tu­ren des Jahres, des Sommers und des Winters genau ergründet wor­den sind, durch Linien mit einander zu ver­bin­den. Das System der Iso­ther­men, Iso­the­ren und Iso­chi­me­nen, wel­ches ich zuerst im Jahre 1817 aufgestellt, kann vielleicht, wenn es durch vereinte Be­müh­un­gen der Physiker all­mä­lig vervollkommnet wird, eine der Haupt­grund­la­gen der vergleichenden Klimatologie ab­ge­ben * …

Der Ausdruck Klima bezeichnet in seinem all­ge­mein­sten Sinne alle Ver­än­de­run­gen in der At­mos­phäre, die unsre Organe merklich afficiren: die Temperatur, die Feuch­tig­keit, die Ver­än­de­run­gen des ba­ro­me­tri­schen Druckes, den ru­hi­gen Luft­zu­stand oder die Wir­kun­gen un­gleich­na­mi­ger Winde, die Größe der electrischen Spannung, die Rein­heit der At­mos­phäre oder die Vermengung mit mehr oder minder schäd­li­chen gas­för­mi­gen Ex­ha­la­ti­onen, endlich der Grad habitueller Durch­sich­tig­keit und Hei­ter­keit des Him­mels; welcher nicht bloß wichtig ist für die ver­mehr­te Wär­me­strah­lung des Bo­dens, die or­ga­ni­sche Entwicklung der Ge­wäch­se und die Rei­fung der Früch­te, son­dern auch für die Ge­füh­le und ganze See­len­stim­mung des Men­schen.«

Alexander von Humboldt: Kosmos. Entwurf einer phy­si­schen Welt­be­schrei­bung. I, 340. Stuttgart und Tübingen: J.W. Cotta'scher Verlag. 1845.

* Eine Weltkarte nach Humboldt der Iso­ther­men (Li­nien glei­cher Temperatur), Iso­the­ren (Linien glei­cher durch­schnitt­li­cher Som­mer­tem­pe­ra­tur) und Iso­chi­me­nen (Li­nien glei­cher durch­schnitt­li­cher Winter­temperatur) findet sich hier).

Der Essay zu den kli­ma­ti­schen Kur­orten wurde ur­sprüng­lich am In­sti­tut für Ge­schich­te der Me­di­zin an der Frei­en Universität Berlin geschrieben; die neue Fas­sung wurde farbig be­bil­dert, der Text zur ein­fa­che­ren Les­bar­keit über­ar­bei­tet; die Kli­ma­ta­bel­len ein­zel­ner Orte wurden mit neuen Ver­gleichs­da­ten auf den neuesten Stand ge­bracht.



limatology is the talk of the town, as is chan­ge in climate. Nearly two hundred years ago, the term "cli­ma­to­lo­gy" was coined by Alexander von Humboldt, and a "change in or of climate" became po­pu­lar shortly after­wards — in medical cli­ma­to­lo­gy, in a com­ple­te­ly different meaning than today.

Physicists should — as Alexander von Humboldt wanted — pre­cisely investigate, trace and present the fundamentals and background of climatology. Today's popular science climatology or climatic stud­ies is not an exact science like physics. It has become a blend of a wide range of mostly theoretical research and interpre­tation branches and is more ideological and commercial than scien­tific. Today's climatologic researchers are often con­cerned with generating computer models based on measured or ex­trapolated data. However, because of the wide variety of variables that contribute to climate and changes in climate, the results pro­duced remain speculative.

They do not conform to the idea of the Scientific Method by which Francis Bacon and René Descartes defined exact science, namely, a method or procedure consisting of systematic observa­tion, measurement, and experimentation, and the formulation, test­ing, and modification of hypotheses. Thales had already demanded that science be provable, verifiable, and reproducible in its results, and furthermore that it be purposeless and thus unprejudiced.

Medical climatology, as described in this historical essay, behaves similarly in the practical evaluation and application of its findings — it can at best be called an applied science. One of the main goals of medical climatology is to find a region with a healthy and pleasant climate for a permanent or temporary stay — primarily to treat a medical problem.

In 1845, Alexander von Humboldt defined climate in his grand work Cosmos: A Sketch of a Phy­si­cal Description of the Universe as a formulation related to human beings:

"Our insight into the heat distribution in the at­mo­sphere has gained some clarity since one has tried to connect by lines the points of those places where the mean annual sum­mer and win­ter tem­pera­tures have been ex­act­ly de­ter­min­ed. The system of iso­therms, iso­theres and iso­chi­menes, which I first es­tab­li­shed in 1817, can per­haps, if it is gra­du­al­ly per­fect­ed by the combined efforts of phy­si­cists, pro­vide one of the main bases of com­pa­ra­tive climatology * …

"The term climate, taken in its most general sense, indicates all the changes in the at­mo­sphere which noticeably affect our organs, as tem­pe­ra­ture, humidity, va­ri­a­tions in the baro­metrical pressure, the calm state of the air or the action of unlike winds, the amount of elec­tric ten­sion, the purity of the atmosphere or its ad­mix­ture with more or less noxious gase­ous ex­ha­la­tions, and, finally, the degree of ha­bi­tual trans­par­ency and clear­ness of the sky, which is not only important for the increased heat radiation of the soil, the organic de­ve­lop­ment of the plants, and the ripening of fruits, but also for the feel­ings and whole mood of the soul of man."

Alexander von Humboldt: Kosmos. Entwurf einer phy­si­schen Welt­be­schrei­bung. I, 340. Stuttgart und Tübingen: J.W. Cotta'scher Verlag. 1845.

* Isotherm: A line connecting or marking points on the earth's surface having the same temperature; isothere: A line connecting points on the earth's surface having the same mean summer temperature; isochimene/isocheim: A line connecting places on the earth having the same mean winter temperature. A map of these lines after Humboldt is shown here).

This essay (in German) on climatic resorts was ori­gi­nal­ly written at the Institute for the His­tory of Medicine at the Free University of Berlin; the new updated ver­sion was il­lus­trat­ed in color, and the text was revised for easier reading; the cli­ma­tic tables of indi­vidual pla­ces were brought up to date with new com­pa­ra­ti­ve data.



PAR-portrait

eter A. Rinck ist — un­ter anderem — Pro­fessor für Me­di­zi­ni­sche Bild­ge­bung und hat ein Dok­to­rat in Me­di­zin­ge­schichte.

Neben seiner uni­ver­si­tä­ren Lauf­bahn in Deutsch­land, Belgien, Nor­we­gen und den Vereinigten Staaten arbeitete er in weiteren Ländern als wis­sen­schaft­li­cher Be­ra­ter für in­ter­na­ti­o­nale Or­ga­ni­sa­ti­onen (dar­un­ter die WHO, die Eu­ro­pä­ische Kom­mis­sion, UN In­dust­rial De­ve­lop­ment Or­ga­ni­za­tion und das No­bel­komitee). Er er­hielt unter an­de­rem Aus­zeich­nun­gen und Prei­se von der Ale­xan­der von Hum­boldt Stiftung, der Max Kade Foun­dation, NATO, der Europäischen Kommission, Fonds Na­ti­o­nal de la Re­cherche Scien­ti­fique de Belgique, dem Nor­we­gi­schen For­schungs­rat, der Deut­­schen For­­schungs­­ge­mein­­schaft und ist Ehren­mit­glied einer Rei­he von Or­ga­ni­sa­tionen.

Rinck ist Verfasser einer grossen Anzahl me­di­zi­ni­scher Ar­ti­kel, Autor oder Her­aus­ge­ber einer Rei­he von Büchern und Websites — nicht nur wissenschaftlich oder me­di­zi­nisch — und pub­li­ziert seit 1990 wis­sen­schaft­liche und zeit­kri­ti­sche Kolumnen (gedruckt und digital auf Rinckside).



Book-Climate

Peter A. Rinck: Medizinische Klimatologie — dargestellt am Beispiel der kli­ma­ti­schen Kur­orte im Ober­ita­li­e­ni­schen Seen­gebiet. Zur Zeit liegt kei­­ne Buch­­han­­dels­­aus­­gabe vor.
© 1979, 2007, 2023 by Peter A. Rinck

Anmerkung: Dieses Werk, ein­schließ­lich aller sei­ner Teile und Ab­bil­dun­gen, ist ur­he­ber­rech­tlich geschützt. Jede Ver­wer­tung au­ßer­halb der en­gen Grenzen des Ur­he­ber­rechts­geset­zes ist ohne vorherige schrift­li­che Zu­stimm­ung des Autors un­zu­läs­sig und straf­bar. Dies gilt insbesondere für Ver­viel­fäl­ti­gungen, aus­zugs­wei­se Nutz­ung, Über­set­z­ungen und die Ein­spei­cherung und Ver­ar­bei­tung in elek­tro­ni­schen Sys­te­men.

Die Wiedergabe von Ge­brauchs­namen, Handels­namen und Wa­ren­be­zeich­nungen auch ohne besondere Kenn­zeich­nung in die­sem Buch bedeutet nicht, dass solche Namen im Sinne der einschlägigen Ge­set­ze als frei zu be­trach­ten wä­ren und daher von jeder­mann be­nutzt wer­den dür­fen.

Dieser Text wurde 1979 zum ersten Mal ver­öffent­licht. Es han­delt sich um eine medizinge­schicht­liche Ar­beit; vieles hat sich in der Zwischenzeit geändert und ist heute nicht mehr auf medizinische Behandlungen an­wend­bar. In den über­ar­bei­te­ten Schluss­be­mer­kun­gen der Neu­aus­ga­be von 2023 wird dies diskutiert und die zur Zeit po­pu­lä­re Aus­le­gung der Kli­ma­to­lo­gie er­ör­tert.

Der Nachdruck einiger Ab­bil­dungen er­folg­te mit der Ge­neh­mi­gung der In­ha­ber der Rech­te, soweit er­mit­tel­bar.


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